Was ist wirklich an den Vorurteilen dran?
Rund um die Uhr Betreuung in den eigenen vier Wänden hört sich für viele Pflegebedürftigen erst mal sehr verlockend an. Allerdings entsprechen die allgemeinen Vorstellungen eher selten der Realität. Viele Menschen denken, dass sie bei der sogenannten 24-Stunden-Pflege ein Anrecht darauf haben, den ganzen Tag von einer Betreuungskraft versorgt zu werden.
Das stimmt so jedoch nicht. Auch diesen Betreuungskräften steht ein geregelter Arbeitsalltag mit Feierabend und Freizeit zu. Im folgenden Text werden die häufigsten Vorurteile und Fehlinformationen genauer unter die Lupe genommen
Betreuungskräfte müssen rund um die Uhr arbeiten
24-Stunden-Pflege ist nicht wörtlich zu nehmen. Wie lange die Betreuungskräfte arbeiten, hängt vom jeweiligen Vertrag ab. In der Regel handelt es sich dabei um 40 bis maximal 48 Wochenstunden. Pro Woche steht der meist osteuropäischen Kraft mindestens ein komplett freier Tag zu. Um nach der Arbeit abschalten zu können und Privatsphäre zu haben, muss es für die Betreuungskraft ein voll ausgestattetes, abschließbares Zimmer geben. So können sich Pflegekräfte nach Feierabend von ihrem Arbeitsplatz zurückziehen und entspannen.
Betreuung im eigenen Zuhause hört sich für viele auch nach einem unbezahlbaren Luxus an. Abhängig von Sprachkenntnis und Erfahrung der jeweiligen Betreuungskraft sowie der individuellen Betreuungssituation, kommen monatlich zwischen 2 200 Euro und 3 000 Euro auf die zu betreuende Person zu. Allerdings kann das Pflegegeld, das Menschen mit Pflegegrad erhalten, für häusliche Betreuung genutzt werden. Das Pflegegeld reicht jedoch nicht aus, um die Kosten zu decken.
Eine wirkliche Erleichterung würde der Bezug der Sachleistungen bringen, die auch der Pflegedienst abrechnen kann. Solange keine politischen Anpassungen erfolgen, ist diese Form der Betreuung – auf legalem Weg – für einen großen Teil der Betroffenen nur schwer zu finanzieren. Durch die Pflegereform erhöhen sich die staatlichen Leistungen ab Januar 2022 geringfügig.
Die Betreuungskräfte sprechen kein Deutsch
Deutschkenntnisse können stark variieren und richten sich grundsätzlich nach den Bedürfnissen des Kunden und nach der Verfügbarkeit des Betreuungspersonals. In personalschwachen Zeiten – wie zum Beispiel zu Weihnachten oder im Sommer – steht oftmals nur sehr begrenzt Personal zur Verfügung, was zu einem Kompromiss bei den Familien führen kann. Allerdings setzt der im Januar 2021 veröffentlichte Qualitätsstandard DIN SPEC 33454 voraus, dass mindestens das Sprachniveau A1 beherrscht wird. Auf Wunsch kann bei der Vermittlungsagentur jedoch eine höhere Sprachanforderung angegeben werden. Wenn der Pflegebedürftige beispielsweise dement ist, spielt besondere die Sprache eine wichtige Rolle.
Seriöse Vermittlungsagenturen sorgen für einen angemessenen Lohn, der im Verhältnis zu den Arbeitszeiten steht. Nicht selten verdienen die Kräfte das drei- bis vierfache im Vergleich zu ihrem Heimatland. Unseriöse Vermittler unterstützen die von ihnen vermittelten Betreuungskräfte jedoch nicht und evaluieren die Rahmenbedingungen der jeweiligen Stelle nicht oder völlig unzureichend. Jede Betreuungssituation ist individuell und erfordert bestimmte Erfahrungen und Kenntnisse. Die Anforderungen an die Kraft sind mit der Familie zu ermitteln. Dabei ist insbesondere auf die Rahmenbedingungen hinzuweisen, wie beispielsweise die vereinbarte Arbeitszeit.
Dies bestätige das im Juni 2021 ergangene Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Einer Betreuerin wurden 30 Wochenstunden bezahlt. Da im Vertrag keine genaue Regelung zur Arbeitszeit bestand und im Haushalt eine Anwesenheitsbereitschaft gefordert wurde, klagte die Betreuerin allerdings 21 Stunden tägliche Arbeitszeit ein. In dem Urteil wurde ihr Recht gegeben und sie soll die Überstunden nun rückwirkend bezahlt bekommen. Es ist also wichtig, eine seriöse Agentur auszuwählen – nicht nur für die Betreuungskräfte, sondern auch zum eigenen rechtlichen Schutz.
Buchtipp für mehr Informationen
Tipps für die Wahl des richtigen Vermittlers und Empfehlungen bei der Frage, welche Fallstricke es zu beachten gilt, finden sich verständlich aufgeschlüsselt im neuen Pflegeratgeber von Markus Küffel, erschienen im Springer Verlag. Borgmeier Public Relation